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  • AutorenbildBirgit Fuß

FUSSNOTEN

Aktualisiert: 13. Apr. 2021

Es ist einfach passiert: Sheryl Sandberg & Adam Grant „Option B - Wie wir durch Resilienz Schicksalsschläge überwinden und Freude am Leben finden”

Es gibt beliebtere Frauen als Sheryl Sandberg. Sie ist Geschäftsführerin beim zweifelhaften Facebook, hat nie ihren Ehrgeiz verborgen und mit “Lean In” sogar ein Buch darüber geschrieben. Sie schämt sich nicht für ihren “Willen zum Erfolg”, wie sie es nennt. Eine harte Nuss also. Als Managerin setzt sie sich neben Mark Zuckerberg durch, zu Hause organisiert sie ihre Familie mit zwei kleinen Kindern. Alles läuft – und dann stirbt ihr Ehemann. Zuerst wollte ich Sandbergs Buch über diese Erfahrung gar nicht lesen, weil ich dachte, dass es darin wahrscheinlich nur darum geht, wie man so einen Verlust möglichst schnell verarbeitet und sich in den Griff kriegt, um weiter arbeiten zu können. Dann las ich, dass Sandberg bei Facebook eingeführt hat, dass Trauernde bis zu 20 Tage bezahlten Urlaub nehmen dürfen, wenn ein naher Angehöriger stirbt. Vor allem fand ich aber den Titel ihres Buchs ziemlich gut: “Option B”.


Sandberg tut gleich gar nicht so, als wäre es nach dem Verlust eines geliebten Menschen noch möglich, das Leben zu führen, dass man führen möchte. Als ihr Dave 2015 stirbt, ist mit ihm auch ihre Option A weg: weiter mit Mann und zwei Kindern glücklich sein. Sie stellt fest, dass sie jetzt zu einem Club gehört, den sie vorher nie bemerkt hatte und in dem sie auch kein Mitglied sein wollte: der Club der Hinterbliebenen. Eine Schicksalsgemeinschaft, die einem Trost bieten kann – aber sie muss erst lernen, offen dafür zu sein, über den Horror zu sprechen. Natürlich will sie bei der Arbeit weiterhin on top sein, und erst als sie sich eingesteht, dass das gar nicht geht, erfährt sie den nötigen Zuspruch und ganz schön viel Verständnis. Entweder ist Facebook eine Art Paradies oder Sandberg übertreibt ein wenig – auf jeden Fall wäre es toll, wenn es überall so zugehen würde.


Im privaten Bereich erlebt Sandberg dasselbe wie fast alle Trauernden: dass manche Leute gar nicht mit dem Leid klarkommen und sich seltsam benehmen. Die einen wenden sich ab und melden sich lieber gar nicht mehr, andere geben unpassende Ratschläge oder wollen einen ständig ablenken. Nur wenige halten es aus, die Trauer einfach zuzulassen. Sandberg leitet daraus eine entscheidende Erkenntnis ab – sie nennt es die “Platin-Regel” der Freundschaft: “Behandle andere Menschen so, wie sie behandelt werden möchten!” Nicht, wie du es gern hättest. Nicht, wie du denkst, dass es richtig ist. Sondern so, wie sie es wollen und brauchen. Weil jede Trauer so individuell ist wie der Mensch an sich.


Natürlich ist “Option B” manchmal ziemlich amerikanisch im Pathos, in der Fokussierung auf die Arbeit, im Wir-schaffen-das. Aber es ist eben kein Selbstoptimierungs-Buch, sondern eine Beschreibung der Trauer und von möglichen Wegen, besser mit ihr umzugehen. Und wie Sandberg erklärt, dass Resilienz vor allem durch das realistische Vergegenwärtigen der Situation entsteht: das hilft gerade durch die Einfachheit der Schlagworte doch weiter. Keine Tragödie, schreibt sie, sei je “persönlich, allumfassend oder permanent”. Im Englischen sind die “drei Ps” (nach dem Psychologen Martin Seligman) etwas griffiger: personalization, pervasiveness, permanence. Es ist meine Schuld. Jeder Bereich meines Lebens ist davon betroffen. Nichts wird je wieder in Ordnung sein. Also die typischen Gefühle vieler Trauernder.


Wir tun gut daran, uns klarzumachen, dass wir nichts dafür können, dass wir in die Trauer hineingeworfen wurden – es hat uns nicht erwischt, weil wir etwas falsch gemacht haben. Es ist einfach passiert. Und wir können uns bemühen zu sehen, dass es trotz der Übermacht der Trauergedankenschleifen immer noch kleine Bereiche gibt, die okay sind – vielleicht eine Freundschaft, vielleicht eine Arbeit, vielleicht auch nur eine Suppe. Und das Schwerste: Es wird besser werden. Das Schöne an der verdammten Vergänglichkeit, die uns die Geliebten weggerissen hat, ist nämlich, dass sie auch dafür sorgt, dass der Schmerz nachlässt. Und die Dankbarkeit bleibt.



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