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AutorenbildBirgit Fuß

FUSSNOTEN

„Sterben für Anfänger“ (RTL+)



Jeder hat nur eine Chance zu sterben. Insofern sind wir alle Anfänger, wenn es so weit ist - und dann auch gleich Experten, wenn es geschafft ist. Nur dass wir danach nicht mehr davon erzählen können. Wie könnte man sich also auf den Tod vorbereiten? Damit beschäftigt sich die Doku-Serie "Sterben für Anfänger". Unter der Regie von Anne-Katrin Hallaschka machen sich "Stern-TV"-Moderator Steffen Hallaschka und St. Paulis größte Drag-Queen Olivia Jones auf und stellen sich ihren Ängsten. Zunächst wirkt es fast putzig, wenn sie in "Das letzte Reisebüro" gehen, um sich zu informieren, was denn wohl wichtig zu wissen wäre. Doch schnell wird klar, dass das hier kein Spielchen wird. Um es deutlich zu sagen: Für Zartbesaitete oder Menschen, die schnell Albträume kriegen, sind einige Szenen nicht zu empfehlen.

 

Die beiden gehen zum Bestatter und ins Krematorium, sie bauen und bemalen Särge - so weit, so praktisch. Für mich persönlich hätte es die allzu deutliche Präsentation einer Obduktion nicht gebraucht, auch Gunther von Hagens' plastinierte Leichen finde ich eher geschmacklos. Interessanter wird es, wenn es ums Spirituelle geht - doch davon wollen beide eigentlich nichts wissen, obwohl sie schon neugierig sind. So bleiben die Erlebnisse etwas oberflächlich - da hätte man vielleicht tiefer grundierte Menschen finden können. Vom Medium, das Kontakt zu Hallaschkas verstorbenem Freund und Olivias Vater aufnehmen soll, sind sie nicht recht überzeugt, auch die Geisterjäger wirken eher albern. Sehenswert sind eher die Reaktionen der beiden auf all die Eindrücke. Besonders Olivia Jones zeigt sich als sensible Seele, das kann das grelle Make-up zum Glück nicht verbergen.

 

Am Ende inszenieren sie noch ihre eigene Trauerfeier - gut, wer hat darüber nicht schon nachgedacht? Doch es sind nicht diese Show-Momente, deretwegen die Serie sich lohnt. Es sind die Begegnungen mit tatsächlich sterbenden Menschen. Zu sehen, wie Vanessa über ihren eigenen Tod, ihre Beerdigung nachdenkt, während sie sich um ihre kleinen Kinder kümmert und doch eigentlich noch mitten im Leben stehen sollte. Wie Angie jeden Tag mit ihrer Frau auskostet, weil sie weiß, dass es nicht mehr viele sein werden. Und wie Stephanie sich entschlossen und fast heiter für einen begleiteten Suizid entscheidet, was in der Schweiz erlaubt ist. Die Art, wie Hallaschka sie dabei beobachtet, vorsichtig Fragen stellt, hat nichts Voyeuristisches, es ist einfach beeindruckender Journalismus. Und dass er schließlich die Distanz nicht aufrechterhalten kann und weinen muss, ist auch genau richtig.

 

In letzter Zeit haben mich manchmal Leute gefragt, warum ich ein Buch über das Sterben und den Tod meines Liebsten und die Trauer geschrieben habe. Ob das nicht zu persönlich ist, ob mir das nicht zu nahe ging. Unter anderem war meine Antwort: Weil ich es kann. Wenn wir unsere Erfahrungen teilen, wenn wir es wagen, sie ehrlich zu vermitteln, ist vielleicht der eine oder andere Mensch, der etwas Ähnliches erlebt hat und das liest, sieht, hört, weniger allein. Wir können uns nicht richtig vorbereiten auf solche Verlusterfahrungen - sie sind immer einzigartig und extrem und kaum auszuhalten, doch wir können wenigstens hoffen, dass wir auf dem Weg Menschen finden, die uns verstehen, von denen wir uns verstanden fühlen. Das gilt für das Sterben genau wie für die Trauer. Ich durfte für meinen Geliebten da sein, als er diese Welt verließ und darüber hinaus, und für mich waren danach Menschen da, ohne die ich heute vielleicht auch nicht mehr hier wäre. Ohne meine beste Freundin, die keine Anfängerin ist, sondern sehr viel über Leben und Sterben weiß, vor allem aber über Mitgefühl. Ohne meinen Ex-Mann, für den es selbstverständlich war, dass er mich unterstützt. Ohne meine große Schwester, die den Schmerz nie kleingeredet hat. Ohne all die Freunde, die geholfen haben, so gut sie eben konnten. Sie waren da. Sie alle sind schon Fortgeschrittene, was Tod und Trauer angeht. Bis wir dann Expert:innen sind, soll es bitte noch recht lange dauern.

 

(Foto Steffen Hallaschka & Olivia Jones: © RTL)

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