Freundschaft, die sogar den Tod überwindet: „Die Verurteilten (The Shawshank Redemption)“
Nachdem ich neulich bei Simone de Beauvoir versagt habe und mein Notizen dazu nicht mehr finden konnte, hatte ich bei „Die Verurteilten (The Shawshank Redemption)“ mehr Glück. Es war Anfang 2016, wir redeten gerade darüber, wie froh ich in meiner neuen Wohnung war – mein erstes ganz eigenes Zuhause nach vielen Jahren WG und Ehe. (Wir nannten es immer „reden“, wenn wir uns per SMS oder Messenger unterhielten – das Wort „chatten“ wäre zu billig gewesen für all das, worum es bei uns ging.) Jedenfalls wollte er plötzlich wissen, wie oft ich „The Shawshank Redemption“ gesehen hätte. Ich war etwas verblüfft und befürchtete eine Fangfrage, aber antwortete wahrheitsgemäß: sehr oft. Darauf er: ich 15-mal. Und dass ich mich doch so ähnlich fühlen müsste wie Morgan Freemann, wenn er im Überlandbus zu einem Freund (Tim Robbins) fährt - so glücklich und frei.
Er traf einfach so oft den Nagel auf den Kopf. Wir sprachen ein bisschen über Freiheit, Freundschaft und Hoffnung, ich warf ein, dass in meiner Umgebung leider einige den Film für kitschig halten - was er natürlich überhaupt nicht ist. Wir mussten beide weinen beim Gedanken daran, wie Red und Andy sich am Strand umarmen. Ich zu Hause, er auf seiner Bank. Er saß meistens auf irgendeiner Bank, wenn wir hin- und herschrieben, und dieses Bild hat sich bei mir so eingeprägt, dass ich ihn fast immer dort sitzen sehe, wenn ich an ihn denke. Ein Jever und das Handy in der Hand, das Fahrrad an der Seite.
Heute also ein Selbstversuch: Seit seinem Tod hatte ich „The Shawshank Redemption“ nicht mehr gesehen, ich hab’s einfach nicht geschafft. Aber da wir uns ja einig sind, dass es ein wunderbarer Film ist, wollte ich es nun mal wieder probieren. Worum geht’s eigentlich? 1994 hat Frank Darabont die Stephen-King-Novelle „Rita Hayworth and Shawshank Redemption“ verfilmt, der Horror ist hier allerdings ein anderer als gewöhnlich bei King. Es ist ein Gefängnisdrama (Shawshank ist der Name des Knasts), in dem Andy Dufresne (Tim Robbins) ab 1947 zu Unrecht lebenslänglich absitzt, im Knast vergewaltigt und misshandelt wird und schließlich - nach vielen weiteren fiesen Erlebnissen - seinen Ausbruch plant. Es ist aber vor allem die Geschichte einer Freundschaft, zu seinem Mithäftling Ellis „Red“ Redding (Morgan Freeman). Ohne diese Freundschaft hätten beide all die Grausamkeit im Gefängnis (und in Reds Fall auch danach) höchstwahrscheinlich niemals überlebt. Wenn es so viele gute Gründe zum Sterben gibt, braucht der Mensch noch bessere zum Leben. Und die größte Hoffnung, die es im Leben gibt, ist eben immer wieder die, zumindest einen Verbündeten zu finden. Einen Menschen, der einen liebt und versteht. Einen, für den es sich lohnt weiterzukämpfen. Andy entkommt durch mühselige Kleinstarbeit nach 19 Jahren, Red wird auf Bewährung entlassen. Wie die beiden schließlich wieder zueinanderfinden, können Sie selbst angucken. Taschentücher nicht vergessen.
Wie ging’s mir also beim Gucken? Ist es eine gute oder schlechte Idee, sich Dingen auszusetzen, die einen so sehr an den geliebten Verstorbenen erinnern? Das kommt natürlich darauf an, in welcher Verfassung man ist. In der krassesten Trauer wäre es mir viel zu viel gewesen, da habe ich ohnehin die ganze Zeit geweint. Inzwischen nehme ich Gelegenheiten, mal wieder die Tränen laufen zu lassen, dankbar an – es hat jetzt etwas Befreiendes. Und gleichzeitig weiß ich, dass ich auch irgendwann wieder damit aufhören kann.
Ein paar Szenen, die mich diesmal besonders bewegt haben:
Als Andy von der Krankenstation zurückkommt und auf seinem Bett ein Poster findet, das Red ihm besorgt hat - mit einem Zettel: "No charge. Welcome back." Ein bisschen Güte inmitten der Erbarmungslosigkeit. Als der alte Brooks nach Jahrzehnten im Gefängnis draußen in Freiheit nicht mehr zurechtkommt und sagt: "I don't like it here, I'm tired of being afraid all the time. I've decided not to stay." Und er meint damit nicht das Kämmerchen, in dem er steht und sich den Strick zurechtknüpft.
Einmal, als Andy von Mexiko träumt und Red ihm sagt, er solle das lassen und sich mit dem abfinden, was ist, erwidert Andy: "I guess it comes down to a simple choice really: Get busy living or get busy dying." Und wenn er nach seiner Flucht im strömenden Regen die Arme hochreißt, ist klar: Leben kann auch bedeuten, dass man auf manches sehr lange warten muss, aber es bedeutet auf jeden Fall, dass man nie, nie, nie die Hoffnung verlieren darf. Oder wie Andy in seinem Brief an Red schreibt: "Hope is a good thing, maybe the best of things, and no good thing ever dies."
Und dann natürlich der Schluss – wenn Red und Andy sich an einem Strand in Mexiko wiedersehen. Die Szene, bei der mein Liebster immer geweint hat. Heute hatte ich das Gefühl, dass er und ich uns in diesem Moment auch sehr nahe waren – an einem Ort, den ich noch nicht beschreiben kann, den ich aber irgendwann so gut kennen werde wie er jetzt schon. Und wenn wir uns dort wiedersehen, wird das ein Fest. Und kein bisschen Kitsch!
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