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AutorenbildBirgit Fuß

FUSSNOTEN

Aktualisiert: 13. Apr. 2021

Der Tod als Teil des Lebens: Eric Wrede „The End“ (Heyne Encore)

Wer kennt sich besser mit dem Tod und der Trauer aus als ein Bestatter? Zumindest einer, der sich wirklich für die Menschen in und neben dem Sarg oder der Urne interessiert. Ich bin Eric Wrede zum ersten Mal im Februar 2018 begegnet, als ich eine Geschichte für den ROLLING STONE recherchiert habe, in der es um Menschen aus dem Musikgeschäft ging, die sich eine andere Arbeit gesucht haben, um ihrem Leben noch mehr Sinn zu geben (siehe „Texte“). Seine besonnene Art und dass er mir ein paar sehr kluge Fragen stellte, bevor ich dann ganz viele an ihn hatte, gaben mir gleich das Gefühl, dass Trauernde bei ihm gut aufgehoben sind: Nach einem Verlust, wenn Chaos, Verzweiflung und Panik den Verstand vernebeln, braucht es nichts dringender als jemandem, der einem ein bisschen Ruhe und Raum zum Durchatmen verschafft und souverän zur Seite steht. Sofort dachte ich damals: Hätten wir bloß so einen Bestatter gehabt, als vor einem Jahr mein Geliebter starb! (Stattdessen gerieten wir an einen, der Dienst nach Vorschrift machte und dann auch noch zu viel berechnete – was ich in meinem Zustand gar nicht gemerkt hätte, eine Freundin glücklicherweise schon. (Die Hilf- und Kopflosigkeit Trauernder ausnutzen: ein Klassiker. Nicht die Norm, aber auch keine Seltenheit.)


Während Eric nun also im persönlichen Gespräch sehr sanft mit meiner Trauer umging, kämpft er gleichzeitig leidenschaftlich und in diversen Medien dafür, dass die überholten Bestattungs- und Friedhofsgesetze, die einen individuellen, heilsamen Abschied manchmal unmöglich machen, endlich modernisiert werden. All diese Aspekte tauchen in seinem Buch „The End“ auf, neben vielen mal rührenden, mal skurrilen Anekdoten und weiterführenden Gedanken zu unserem Umgang mit dem Tod.


Als Prolog stellt Eric sein eigenes Testament voran. Ich habe mich über manches darin gewundert und bei anderem geschmunzelt, aber vor allem spontan gedacht: Das mache ich jetzt auch mal. Und ich kann Ihnen versichern: Es ist befreiend und beruhigend, ein Testament zu machen, auch wenn man gar nicht vorhat, demnächst zu sterben. Gerade dann. Außerdem wird man für die Mühe mit sehr viel Dankbarkeit belohnt: Mir fiel beim Überlegen, wem ich gern was hinterlassen würde (in meinem Fall keine Reichtümer, sondern eher ideele Wertsachen), mal wieder so richtig auf, wie viele Menschen ich sehr, sehr gern habe. Einigen habe ich das dann gleich mal gesagt. Von Zeit zu Zeit auf den Zettel zu schauen und zu überlegen, was möglicherweise geändert werden sollte: eine schöne Gelegenheit, Zwischenbilanzen zu ziehen und sich bewusst zu machen, was noch unerledigt ist. Wenn es irgendwann tatsächlich ans Sterben geht, fehlt einem vielleicht die Kraft dafür.


Die Interviews mit dem Schauspieler Clemens Schick, dem Schriftsteller Sebastian Fitzek und den Musiker*innen Judith Holofernes, Flake und Henning Wehland sind unterhaltsam (und neben vielen weiteren nachzuhören auf theendpodcast.org), aber nicht ganz so erhellend wie Erics eigene Berichte aus der Praxis. Totenfürsorge, Beerdigungen, Gräber, Friedhöfe, Nachlassregelungen: Ja, darüber nachzudenken fällt vielleicht schwer, doch es macht im entscheidenden Moment die Dinge bestimmt leichter, wenn sie schon mal überlegt wurden. Und sterben, machen wir uns nichts vor, müssen wir alle irgendwann. Indem Eric diese Dinge direkt anspricht und nie mit Fachbegriffen verklausuliert, verlieren sie auch etwas von ihrem Schrecken. Der Tod gehört zum Leben dazu, ist eben so. Er findet dabei immer den richtigen Ton: weder theatralisch noch pastoral, sondern einfühlsam und einfach echt. Erics Bestattungsinstitut heißt nicht umsonst „Lebensnah“.




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