Cornelia Kazis: "Weiterleben, weitergehen, weiterlieben" (Edition Xanthippe)
Der Untertitel dieses Buchs ist "Wegweisendes für Witwen" - und er stimmt, es ist ein erkenntnisreicher Führer durch die verschiedenen Aspekte von Trauer, und trotzdem stört er mich. Das Wort "Witwe" mag ich überhaupt nicht. Ein Bekannter tröstete mich kurz nach dem Tod meines Liebsten, als ich mal wieder Ärger mit anderen trauernden Frauen hatte. Er meinte, ich solle mir die Anfeindungen nicht so zu Herzen nehmen, weil sie letztlich auf Eifersucht basierten: "Sie sind eben die Ex-Freundinnen, und Du bist die Witwe." Der Begriff kam mir komisch vor, so ... negativ. Die Sonderstellung nahm ich gern ein, doch ich wäre lieber weiter seine Frau gewesen, obwohl wir nicht verheiratet waren. So hat er mich immer genannt: "meine Frau". Das klingt viel schöner als "Witwe". Die einzige Witwe, die ich bisher wahrgenommen hatte, war die Witwe Bolte, der Max und Moritz die Hühner geklaut haben. Es schien mir ein Begriff aus einer anderen, finsteren Zeit zu sein. "Hinterbliebene" ist ja auch nicht gerade toll, und bei "Beileid" muss ich schaudern. Mitgefühl hat mehr Herz. Aber wahrscheinlich gibt es einfach keine richtig guten Worte für etwas so Unfassbares wie den Tod eines Geliebten.
Die Schweizer Journalistin Cornelia Kazis nähert sich den Themen Sterben, Tod und Trauer von verschiedensten Perspektiven, das macht diese Sammlung von Begegnungen und Gesprächen so interessant. Sie hat selbst 2018 ihren Mann "verloren", wie man so sagt - eigentlich ebenfalls ein beknackter Begriff, hört es sich doch nach einem Fall fürs Fundbüro an. Jedenfalls besucht sie Expertinnen wie eine Professorin für Alterssoziologie und eine Gerontopsychologin, eine Historikerin und eine Rechtsberaterin, dann Betroffene. Hier kommt einem der Tod natürlich noch näher als in den (sehr erhellenden) Interviews mit Frauen, die sich beruflich und eher theoretisch damit beschäftigen - wenngleich es hier viele praktische Hinweise gibt, die vielleicht helfen können, sowohl das Sterben besser zu begleiten als auch die Trauer etwas leichter zu ertragen.
Die Verluste, die Cornelia Kazis schildert, könnten unterschiedlicher kaum sein: Eine muss sich von ihrem Mann eigentlich schon verabschieden, während er noch lebt - er ist an Demenz erkrankt. Eine andere sieht jahrelang die MS ihres Partners voranschreiten. Suizid, plötzlicher Tod auf der Skipiste, Krebs, Mord: Es sind brutale Schicksale, die dann doch eins gemeinsam haben: Die Frauen haben es überlebt, sie haben sich ihrer Trauer gestellt - und sie haben einen tieferen Sinn im Leben gefunden (oder sind zumindest auf dem Weg dorthin), manche eine neue Art von Autonomie, manche sogar eine weitere Liebe. Für die Interviews hat sich die Autorin Stichwörter überlegt, damit es den Frauen leichter fällt, ihre Geschichten noch einmal zu erzählen. Diese Themenfelder sind am Ende angefügt - und es lohnt sich, sie einfach mal selbst zu bearbeiten: "So ein Paar waren wir", "Was alles verloren gegangen ist", "Das Gute am Schlimmen" oder "Die letzten Worte" steht da unter anderem. Und am Schluss, vielleicht das Wichtigste: "Was bleibt".